Alltag in Auschwitz

Text: | Ressort: Film | 1. März 2024

Rudolf Höss (Christian Friedel) und seine Frau Hedwig (Sandra Hüller) haben sich ein vorzeigbares Heim aufgebaut. Hedwig hegt ihren Garten mit den herrlichen Rosenbüschen. Das Personal kümmert sich um den Haushalt und die Kinder. Nur die rußige Luft, das stete Rauschen und die vereinzelten Schreie trüben das Idyll. Denn das Anwesen der Familie Höss grenzt unmittelbar an das Konzentrationslager Auschwitz. Hinter der Mauer wird Hitlers systematischer Plan der Judenvernichtung in grausame Tat umgesetzt. Rudolf Höss ist als Kommandant für die Leitung verantwortlich. Er hat das KZ Auschwitz zum Vorzeigeobjekt der Effizienz der Nazis gemacht. Doch jetzt soll er nach Oranienburg versetzt werden. Hedwig fürchtet um das Heim, dass sie sich aufgebaut haben, und weigert sich, Auschwitz zu verlassen.

Regisseur Jonathan Glazer setzt Hannah Arendts Theorie der „Banalität des Bösen“ konsequent in Bilder um. Seine schrecklich nette Familie pflegt den Alltag, während nebenan tausende Menschen getötet werden. Die Gespräche der Frauen über die aktuelle Mode wechselt sich mit denen der Männer über neue, noch effizientere Gaskammern ab. Der konstante Soundtrack aus Schreien wird zum Hintergrundrauschen. Die kontrastreichen digitalen Bilder zeigen den realen Schrecken und mahnen durch ihre Nachvollziehbarkeit. Regisseur Jonathan Glazer installierte feste Kameras im Haus der Familie Höss, um ihren Alltag einzufangen. Christian Friedel („Babylon Berlin“) gibt den aufrechten Nazi, der um seinen einflussreichen Posten bangt. Sandra Hüller, oscarnominiert für ihre Leistung in Justine Triets »Anatomie eines Falls«, verleiht ihrer Figur eine kühle Strenge. Die ambivalenten Charaktere Sandra Voyter und Hedwig Höss vereint die Rolle der Ehefrau und Mutter – und doch könnten sie gegensätzlicher nicht sein. Sandra Hüller formt beide Figuren, verleiht ihnen Würde und Distanz, deren Schrecken sich hier auf der zweiten Ebene offenbart. Glazer stellt demgegenüber, wie schon bei seinem außergewöhnlichen Science Fiction-Film „Under the Skin“, experimentelle Bildcollagen im letzten Akt und schließlich Aufnahmen von Putzfrauen im heutigen Auschwitz. „The Zone of Interest“ ist ein Erlebnis, dass man so leicht nicht aus der Erinnerung fegen kann.

USA/GB/PL 2023 R: Jonathan Glazer, D: Sandra Hüller, Christian Friedel, Freya Kreutzkam

„The Zone of Interest“: ab 29.2. im Kino

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