Depeche Mode – Sounds Of The Universe

Text: | Ressort: Musik | 27. April 2009

Was ist falsch daran, dem Alter entsprechend zu klingen? Was, nicht mehr die eh unerfüllbaren, unterschiedlichen Erwartungen bedienen zu wollen? Was also ist so falsch am neuen Album der Herren Gahan, Gore und Fletcher? Was treibt die Bescheid-Wisser aller Orten zum (fast) einhelligen Tenor, dass „Sound Of The Universe“ wieder nur ein laues Album geworden, wieder kein Knaller und eigentlich das wievielte, misslungene Album seit „Violator“ sei? Wenn man all diese Fragen beantworten will, muss man den Mikrokosmos der Band und den ihn umgebenden Makrokosmos, also die Rahmenbedingungen unter denen Depeche Mode heute Musik kreieren beachten. DeMo bestehen heute aus drei wohlsituierten, vermögenden älteren Herren, die die großen (Zusammen)brüche des Lebens (hoffentlich) hinter sich haben. Ehemännern und Vätern, deren Lebensinhalt nicht unbedingt mehr darin besteht, Popstar zu sein. Depeche Mode waren in den Achtzigern ihrer Zeit soundtechnisch um Jahrzehnte voraus. Und genau das fällt ihnen nun, da ihnen offensichtlich der Antrieb, die Kraft und die Innovationen fehlen, Visionäres zu erfinden, auf die Füße. Die Entwicklung hat sie, und das nicht erst seit heute, eingeholt. Dazu kommt, dass man über eine ebenso einzigartige und treue wie auch kritische Fangemeinde verfügt. Depeche Mode sind bereits zu Lebzeiten eine Legende, sie haben gigantische Songs und Alben produziert (und an dieser Stelle möchte ich unbedingt an Alan Wilder erinnern!!), unglaubliche Tourneen bestritten.
Was liegt uns hier nun vor? Zuallererst mal, und ich halte mich nicht für den Oberchecker in Sachen Pop, gleichwohl aber für jemanden, der über die Jahrzehnte ein gutes Gespür für the right tunes entwickelt hat, wäre da die erste Singleauskopplung „Wrong“, ein Mörder von einem Song, mit einem ebensolchen Text. Dieses Lied reiht sich nahtlos in die schier endlose Abfolge von Depeche Mode-Hits ein.
Das Album hingegen ist endlich wieder eines im Sinne des Wortes. Hatte man beim Vorgänger „Playing The Angel“ noch den Eindruck, es mit einer losen Kompilation von Outtakes, B-Seiten und Ähnlichem zu tun zu haben (wobei einige Songs dieser Platte, für sich gesehen, durchaus ihre Qualitäten haben!), so findet man hier durchaus den roten Faden. Die Stimmungen der Songs sind eher düster, nocturne. Die Sounds eher analog, was aber kein Alleinstellungsmerkmal sein kann, denn schließlich liegt das gerade im Trend. Und Martin Gore sammelt alte Synthesizer! Das alles kommt nun sehr erwachsen daher, sehr abgeklärt, fast schon zu abgeklärt und zu erwachsen. Und wir sollten uns vom Gedanken verabschieden, dass DM noch mal solche Songs und Alben schreiben werden, wie sie dass vor 20-25 Jahren getan haben. Dass das nur schief gehen kann, hat „Playing The Angels“ bewiesen. Und von Menschen im fortgeschrittenen Alter, die ansonsten auf Landsitzen, Farmen oder in Penthäusern gemächlich Richtung Ewigkeit schaukeln, kann man einfach keine Wunderdinge mehr erwarten. Freuen wir uns also, dass es sie nach wie vor gibt, dass es ihnen gut geht, sie sich vertragen und mit schönere Regelmäßigkeit auf Tour kommen. Das sie nunmehr in einer Stadion-Liga mit Phil Collins, Rolling Stones, U2, Bon Jovi und all den anderen Geistern aus einer anderen Welt spielen, ist zwar extrem unerfreulich und untragbar, es sei ihnen und ihren Devotees aber gegönnt. Mich allerdings kann das alles nicht mehr vom Heizkörper weglocken. Das Album geht in Ordnung. Die Single (und nicht zu vergessen das zugehörige Video!) mehr als das. Und so warten wir, bis „Sounds Of The Universe“ seine Halbwertzeit überschritten hat und die Tournee gespielt ist. Und warten wir auf die nächste Platte. Von hier bis in alle Ewigkeit!

(Mute/EMI) Don Delta

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10 Kommentare »

  1. hallo sven,

    ich bin erschüttert. für mich ist es eines der schlechtestes und einfallslosesten Album ever. manchmal sollte man dinge einfach ruhen lassen oder eine bluesplatte machen. als fan bin ich maßlos enttäuscht von depeche mode. wie klangvoll war der name noch vor wochen. jetzt ist da nur noch leere….

  2. p.s.: weiterführende und tiefergehende erläuterungen zu meiner meinung gerne persönlich bei einem spaziergang durch den park :-)

  3. ich war zunächst auch ziemlich enttäuscht ob der erwartungen, die „wrong“ geschürt hatte. stellenweise ist „sounds of the universe“ schlicht langeweile auf hohem niveau. aber so langsam schälen sich doch die vier, fünf songs mit nachhaltigkeitswert heraus. und das ist bei einem saurier wie demo durchaus bemerkenswert. wenn ich mir auch zugegebenermaßen eher das gewünscht hätte, was tim exile ihnen da gerade vormacht.

  4. wenn es ja wenigstens langweilig auf hohem niveau wäre

  5. ….für sich gesehen: die Platte geht in Ordnung.
    Was will man denn von den alten Säcken noch erwarten?!
    Auf der anderen Seite: Mit einem anderen Produzenten hätten die Jungs viel mehr rausholen können – der Gore schreibt wie immer gute Songs, der Dave singt das Zeug und der Producer (oder Alan Wilder!) macht einen dicken Sound, fertsch!
    Aber nein – ein Ben Hillier hat nicht das Zeug, ein DM-Album zu produzieren!!!! Das müssen andere machen!!!
    Ich warte dann mal noch 12 Jahre auf „Ultra2″….quasi „TWOLTRA“, oder so….

    @ Herr Lose: Obwohl die Platte von Tim Exile sehr gelungen ist – der Vergleich hinkt ja wohl gewalt(ät)ig!

  6. …sehr richtig bemerkt lieber rik_order. auch das erneuerungspotential einer ehemals wegweisenden band ist irgendwann erschöpft. bin mir nicht sicher, ob es nur am griff ins produzentenklo gelegen hat. mein eindruck ist eher der, dass die herrschaften nicht die geringste lust hatten, eine innovative platte zu machen. sparsames, solides gefrickle als passender soundtrack zum arrivierten altwerden. kann ich nicht gut finden, kann ich nicht wirklich scheiße finden. was es fast noch schlimmer macht. keine aufregung, kein polarisieren. ultra war der letzte große wurf. punkt.

  7. … ach, wenn doch vince clarke noch leben tät.

  8. Lebt denn der alte Vince Cla-arke noch, Vince Cla-arke noch, Vince Cla-arke noch? Lebt denn der alte Vince Cla-arke, noch Vince Cla-arke noch?
    Ja er lebt noch, er lebt noch, er lebt noch. Ja er lebt noch, er lebt noch stirbt nicht.
    Er würde die Sache aber auch nicht besser machen, fürchte ich. Und im Dezember werden es 28 Jahre, dass er DeMo verließ…
    Er wohnt jetzt übrigens in Maine, USA, und bastelt an einer neuen Apple-Applikation namens iRasure, mittels derer man sich mit dem iPhone bald auch den Bart stutzen kann!!

  9. …aber Tim Exile klingt stellenweise schon so, wie DeMo klängen, wären sie denn in diesem Jahrtausend (oder dem nächsten? oder irgendeinem anderen als dem letzten??) angekommen…auch wenn er hinkt…der Tim….

  10. Ich würde von Depeche Mode gar keine Hits mehr erwarten. Welche Ambitionen sollten denn bei denen noch dahinter stecken einen Hit zu machen? Einen Hit macht man doch, um damit was zu erreichen und das müssen sie nicht mehr.
    Ich finde das Album unter dem Aspekt gelungen, dass es anders geworden ist und sich schon nach einer Weiterentwicklung(ruhig unter Beachtung des Väter und Ehemänner Zitats in der Rezession) anhört und nicht nach einer endlosen Wiederholung älterer Platten. Das ist O.K. Grad bei einer Band der Größe und Gestandenheit, wo bei in der Hinsicht vergleichbaren Bands meist nur viel weniger bei dem hundersten plus x Album raus kommt.
    Für mich ist es darum besser als erwartet. Es ist durchaus Lohnenswert die Songs nach häufigen hören zu berurteilen. Man entdeckt Töne und Geräusche die sich häufig nicht mehr als 2mal in einem Lied wiederholen. Pop käme durchaus mit weniger Detailreichtum aus, ein Pluspunkt von Sounds of the universe.
    Ob das Album nun wegweisend sein sollte oder man das erwarten sollte, würde ich mal dahin gestellt lassen…