Roskilde 2011

Text: | Ressort: Diary, Veranstaltungen | 22. September 2011

Dabei hätte alles es auch in diesem Jahr so enden können wie immer. Man schleppt sich ermattet und fußlahm vom letzten fulminanten Konzert auf der Hauptbühne zum Zelt, an der Arena vorbei, um dort noch ein gemütliches Bierchen mit den Mitstreitern und Zeltnachbarn zu genießen…

Doch leider kam es anders. Denn bei der offiziellen Verabschiedung nach dem Kings Of Leon Konzert erfuhren wohl die meisten Besucher, wie auch wir vom tragischen Tod einer Frau am selben Nachmittag am Turm der Seilbahn auf dem Campingplatz. Die Ursache war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt und gab nicht nur uns, sondern auch allen Medien noch ein paar Tage lang zu denken. Auch nachdem man Zeugen fand und klar wurde, dass es sich um einen Selbstmord handelte bleiben für Aussenstehende die Hintergründe ungeklärt. Warum wählt man man ausgerecht den rahmen einer solchen Veranstaltung für solch einen tragischen Schritt? Was waren die Beweggründe? Fragen, deren Beantwortung wohl nur dem näheren Familien- und Freundeskreis vorbehalten bleiben dürfte.

Ansonsten war eigentlich alles wie immer, auch wenn das in der Nachschau banal erscheinen mag. Das Wetter war nach zwei Jahren regenlosen Sonnenschein wieder mal durchwachsen. Mal mehr, meist weniger Regen. Das kennt man aber und wer sich am Samstag rechtzeitig vor dem großen Wolkenbruch in Sicherheit gebracht hat, dem konnte das nordische Wetter nicht viel anhaben. Die richtige Kleidung und vor allem festes Schuwerk vorausgesetzt, denn aufgeweicht und schlammig war es dann schon.

Festivalmode

Neuerungen gab es dennoch, so öffnete mit dem Gloria eine kleine überdachte Bühne, in der von wenigen Ausnahmen wie Next Life einmal abgesehen, vor allem die leiseren bedächtigeren Töne spielten, wie zBsp. Ólöf Arnalds. Baulich gab es zwei sich gegenüberstehnde Treppenkonstruktionen auf denen man verweilen oder vom erhöhten Ausblick die Konzerte in der Vogelschau geniessen konnte. Auch neu, die schon erwähnte Seilbahn, die vom Turm auf dem Campingplatz über die Kiesgrube hinweg ca. 300m auf das Festivalgelände führte.

Ólöf Arnalds

Zu Next Life wurden die Stichworte Gameboydeathmetal und Chipcore ausgegeben.

Ebenfalls im Gloria: Be-Being mit traditionell koreanischen Klängen und Darbietungen

Und dann war da noch was… Während man auf deutsche Festivals in diesem Jahr öffentlich Urinierende mit Bußgeldern belegte hat man sich diesem Umstand in Dänemark schon lange ergeben, arbeitet aber beständig an der Beseitigung der entsprechenden Unterversorgung. Neue bessere Toiletten erwarteten den Besucher und neue Einfälle das Problem mit dem aufgeweichten Boden an allen Bäumen zu verringern.

Für die Damenwelt, die an den Zuständen wohl bisher am meisten zu leiden hatte, tat sich auf diesem Sektor auch etwas. Hier zu sehen das Schauexemplar der neuen Urinale. Willkommen in der Welt der Stehpinkler!

1349: Richtig geraten: Norweger, Blackmetalsupergroup mit Mitgliedern von Alvheim und Satyricon

Ansonsten alles beim Alten, jede Menge Acts, Künstler jedweden Genres, für jeden etwas dabei, Vertrautes, Unbekanntes, Hochgelobtes, Wiedergekehrtes, Neuentdeckungen… also ein volles Programm für die vier Kerntage.

Cody: alternativ Country mit dänischen Wurzeln

Oh Land: Superpop mit großer Geste beim Heimspiel vor vollem Cosmopol, in das nach offiziellen Angaben 6.000 Personen passen. Das schafften an selbe Stelle nur noch Odd Future Wolf Gang Kill Them All und Janelle Monáe.

Bei Odd Future Wolf Gang Kill Them All, dem Hype der Saison, war das Gedränge gar so groß, dass man aus Sicherheitsgründen die Fotografen gar nicht in den Sicherheitsgraben ließ, da man dort jede Menge zu tun hatte, die Erschöpften herauszuziehen.

Ja das war eine Mitmachveranstaltung, manchmal manifestiert sich Musik auch etwas körperlicher.

Neben den Foals und Iron Maiden das erste Highlight des Festivals am Donnerstag: PJ Harvey. Entrückt, sphärisch elfengleich bei den neueren Songs und kratzbürstig bei dem historischen Material. Immer ein Erlebnis. Wie auch schon 2001 an selber Stelle.

Nein das ist nicht The Dome, eher eine Überdachung zum Futtern und Feiern auf dem Campingplatzgelände Ost.

same procedure….

Connor Oberst war dieses Mal gut drauf und begeisterte mit seinen Bright Eyes

nicht nur das Publikum im, sondern auch vor dem Zelt.

Noch Fragen?

Zun Zun Egui sprengen nicht nur geographische, sondern auch musikalische Einordnungen. Das in Bristol beheimatete internationale Kollektiv verschmilzt afrikanische Gitarrenarbeit, japanische Avantgarde, jazzigen Postrock zu einer wirren irren Demontration der Lebensfreude. …partiell in Esperanto.

Zum ersten mal auf der Hauptbühne: The Raveonettes. Großartig! Keine Frage . Trotz des undankbaren Termins, bei Tageslicht. Das Publikum nahm es trotzdem begeistert auf, da es ja obendrein um ein Heimspiel handelte. Die alten Gassenhauer wurden abgefeiert, aber auch die Songs des neuen Albums „Raven In The Grave“, das an dieser Stelle ruhig mal lobend erwähnt werden sollte, wurden enthusiastisch abgefeiert.

Sein Kumpel hatte nen Vogel…

Charles Bradley brachte den Soul nach Dänemark und übernahm quasi den oldschool Part während Janelle Monáe zwei Tage später für das Update sorgte und etwas mehr Show bot.

Janelle Monáe: Retrofuturistic Soul

Früher mal The Oval heute immer noch ein Plätzchen zum Verweilen und für die Nahrungsaufnahme.

Mastodon: Wenn ich richtig mitgezählt habe zum dritten Mal hier und diesmal auf der Orange Stage.

Destroyer: introspektierte Songs von Weh und Leid zwischen Jazz und Chanson, Frank Sinatra und Leonard Cohen in Indie.

Kurt Vile: Auch ein großer Leidender mit dem Faible für die richtigen Worte und Melodien.

Das Triple im Leidenszyklus beschlossen am Freitag Portishead. Beth Gibbons litt aufs Herzerweichenste. Ein absoluter Höhepunkt des Festivals. Ich frag mich sowieso, warum in manchen Nachlesen über zu wenig Headliner geklagt wurde. ich kann mich nicht beschweren mit Portishead, PJ Harvey, Strokes, Raveonettes, Battles usw. kann ich über die Besetzung der großen Bühnen nicht klagen, im Gegenteil. Das Selbe gilt für die kleinen Spielstätten: Schmäckerchen, Gelobtes und weiter zu beobachtendes gab es zuhauf.

Swans: Ich kenn ja Leute die schwärmten von den Konzerten auf der Klubtour. Ich seh ja nur einen Typen von einem Duo mit seinen ganzen Kumpels, die sich tierisch einen abgegniedelt haben, nicht gleich Pubrock, aber mehr als ein Alterleuteendlosjam war das nicht. Enttäuschend.

Großes Kino mit jeder Menge Weihrauchgewaber boten dagegen Ghost. Gut, man beim Brimborium nicht ganz so kritisch auf die Musik, aber Spass hat es allmal gemacht.

Flankierend zum eigenen Auftritt kuratierten The Ex im Pavillion noch einen Nachmittag mit Freunden und Entdeckenswerten aus dem Reich der politisch Sendungsbewussten. Hier Jackdaw with Crowbar danach waren Api Uiz aus Frankreich am Start.


Api Uiz

Der Man in Rot

Für historisch Interessierte bot Killing Joke Frontmann Jaz Colemandie nicht nur die Industriallegende, sondern auch eine Lehrstunde in Bürgerschreckkunde anno 1980.

Keine Frage: auch ein ganz großes Highlight: TV On The Radio in der Arena. Rock, Funk, Dance harmonisch und abwechslungsreich verwoben, als gäbe es keine selbstverständlicheren Kombinationen. Pioniere!


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Auch nicht das erste Mal in Roskilde, die Arctic Monkeys. Diesmal sahen sie allerdings nicht mehr wie eine Schülerband aus und durften im Freien bejubelt werden (s.o.).

Vor den Strokes gab es den schon erwähnten Wolkenbruch, doch die New Yorker ließen die Unbill des Wetters schnell vergessen und lieferten einen Souveränen Aufritt ab. Es kam mir fast so vor, als wollten noch irgendwo hin und spielten alles ein wenig schneller, was den meisten Songs allerding gut bekam und das sonst mit den Strokes verbundene Hängertum hinweggefegt wurde. Druckvoll und energisch, geht doch.

Ein besonderes Spektakel wurde im Odeon geboten: Congotronics vs Rockers: die Verschmelzung von afrikanischen Rhytmen, Elektronik, Jazz und Indierock. Ein Riesenjam mit Leuten von Konono N°1, Deerhoof, Kasai Allstars, Wildbirds & Peacedrums, Skeletons und Juana Molina.

Mariam Wallentin eigentlich sonst bei Wildbirds & Peacedrums.

Kontrastprogamm ist King: Autopsy.

Lykke Li im vollgestopften grünen Zelt. Von der Indiedancemaus zur Zeremonienmeisterin gereift.

Der Sonntag wird von I Was A King aus Norwegen mit zauberhaft verspielten Noisepop sonnig eröffnet. File under: im Auge behalten!

Tremor: Die argentinische Version von Mittelalter trifft Tanzmusik.

Das Volk nahm es dankend an.

In zahlreichen Blogs waren Surfer Blood mit ihrem Album im letzen Jahr der heiße Scheiß. Nicht ganz zu Unrecht muss man einräumen. Zart gezupfte Melodeien mit mehr Beach Boys als Indie in der Wagschale. gut

Nochmal Geschichtsuntericht, diesmal mit den Haudegen von Bad Religion. Gut, hat man die auch mal gesehen…

Pulled Apart By Horses: Mitreissend!

My Chemical Romance: Ja, hat man die auch mal gesehen. Auch nach dem Liveerlebnis bleibt mir der Hype ein Mysterium. Große Gesten, aber kein Songfetzen, der auch nur wenige Minuten haften bleibt.

Und jetzt will ich eure Ärmchen sehen….

Ich würd ja gern von Entdeckung reden, aber ich kannte die letzte Platte „Castle Talk“ schon vorher und war gespannt ob die unbändige Energie, der Witz und der Irrsinn auch live Bestand haben. NoisePopRock vom Feinsten. Wer ein Herz für schräge Töne, verzerrte Gitarren und versteckte Melodien hat, dem sei diese Band der Stunde empfohlen!!!

Frontfrau, Gitarrendomteuse  und Stimmwunder: Marissa Paternoster aus New Brunswick im Staate New Jersey.

Kings Of Leon: auch schon das dritte Mal da, überzeugten souverän und fulminant als Abschlussband eines eigentlich schönes Festivals.

Bis zum nächsten Jahr!

www.roskilde-festival.dk

Bilder auf flickr.com


ohne Worte (für den Euro gibts es übrigens ca. 7 Kronen)

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