Roskilde 2023
Text: Klaus | Ressort: Musik, Veranstaltungen | 16. August 202327.06. Dienstag: Endlich wieder in Roskilde angekommen. Ein erster kleiner Rundgang führt über das Festivalgelände an der Hauptbühne vorbei. Kein Publikum, stattdessen Laster, Hebebühnen, Stapler und emsiges Treiben der Profis. Die Vorbereitungen zum Start des Kernfestivals sind in vollem Gange. Das Warm-Up-Programm läuft schon seit Sonntag auf dem Campingplatz und auf einem kleinen Bereich des späteren Geländes mit zwei Bühnen, die schon seit Sonntag bespielt werden. Hauptsächlich skandinavische Acts bestimmen das Programm, aber auch verschiedene Vorträge und Events laufen auf den drei weiteren Bühnen bzw. Zelten auf dem Campingplatz. Wissenschaft, Naturschutz, Gleichstellung usw..
Tender Youth
Festivalgelände
Kundo
Kaum da und schon die erste Indieperle: Girl Scout aus Stockholm.
Sulka
Wie man sieht ist das Publikum in der ersten Reihe motiviert, textsicher und der Begeisterung wird freier Lauf gelassen.
Evil House Party
Landart und Tanzinstruktionen
Was muss…
Namasenda
Letzte Retuschen am neuen Grafitti
Zar Paulo: große Gesten und Hymnen
Tacobitch: herrlich verquere Tanzaufforderung und -performance. Die Postapokalypse lädt zur Disko.
Deki Alem
Wird auch nie langweilig: Partymeile auf dem Campingplatz mit selbstgebautem Soundsystem wird durchgefeiert.
28.06. Mittwoch: Start des eigentlichen Festvalprogramms. Und zum Auftakt gleich ein Highligt mit Scowl irgendwo zwischen Screamo, Posthardcore, DIY und Pop. Eingängige Hits inklusive.
Wahrscheinlich das Art-Pop-Highlight des Festvals: Fever Ray aka Karin Dreijer-Anderson mit neuer Platte und entsprechend neuer konzeptueller Inkarnation.
Blæst: gute Laune Pop aus der Region zur Eröffnung der Orange Stage, also der Hauptbühne, vor der bis zu ca. 80.000 Menschen Platz finden können.
Textsicher und gut gelaunt
Chat Pile: weniger gut gelaunt, dafür Sendungsdrang
Lorna Shore: Deathcore aus New Jersey, energisch und brachial.
Kuunatic Fotosession auf der kleinen Platform-Bühne zwischen Fressbuden und in unmittelbarer Nähe zur Hauptbühne. Neben kleineren Konzerten gab es dort Tanzperformances, Tanzinstruktionen zum Mitmachen und DJ-Sets.
Kendrick Lamar war der Hauptakt des ersten Tages. Wo früher standardmäßig die Mainstreamrocker oder Metaller tobten, herrschte diesmal eindeutig der Hiphop vor, daneben noch ein paar mehr oder weniger lokale Popacts, queere Tanzeinlagen und Blur als einzige alte weiße Männerband.
Selbst Queens Of The Stone Age schafften es wieder nur bis in die Arena, dem größen Zelt auf dem Platz. Unverständlich das Geplänkel zwischen Frontmann und den Sicherheitskräften, was im Nachhinein ein paar kleinere Wellen schlug. Im Zweifelsfall sollte die Sicherheit im Fokus stehen, so nett der eine oder andere Circle Pit auch sein mag. Man muss es nicht erzwingen. Und dass fast alle Kräfte vor Ort von freiwilligen Volontären besetzt werden, sollte jemand mal Herrm Homme verklickern.
Erste Reihe
29.06. Donnerstag: Etwas ruhiger countryesker, folkiger startet der nächste Tag mit Courtney Marie Andrews.
Latto
Ethel Cain, Singer-/Songwriterin aus Tallahassee, Florida
Ithaca, nein nicht die englische Folk und Pychedelicband aus den 70ern, sondern Metalcore aus London.
Busta Rhymes: Raplegende der Neunziger, immer noch am Puls der Zeit, in diesem Jahr kollaborierte er wieder mit Hinz und Kunz.
Orange Stage: Das Publikum ist jedenfalls immer noch interessiert.
Indigo De Souza: Im Indierock kommen momentan die interessantesten Platten von Frauen.
Tove Lo: Ja ja, sex sells. Ein bisschen Mummenschanz hat da noch nie geschadet und unterhaltend ist es obendrein.
Special Interest: Ganz anderer Ansatz. Kannte ich bis dahin nicht. Die Bühnenpräsenz von Alli Logout iszt überwältigend. Live mit dreifach erhöhtem Energielevel als bei den bislang vorliegenden Studioaufnahmen.
Lil Nas X: Der queere Rapmessias weiss sich zu inszenieren. Die ganz große Revue, keinen Zentimeter darunter. Dank der Hits im Rücken ein Kinderspiel. Ganz großes Kino.
Dry Cleaning: Auch ganz groß, aber mit eher gegensätzlichem Ansatz. Showverweigerung als Konzept. Auf andere Art eindrücklich und nachhallend.
Bierstand
Prisma
30.06. Donnerstag: Zum Morgen ein kleiner Rundgang durch die Dream City. Die Stadt der Fantasie entshet jedes Jahr aufs Neue. Man kann sich mit seinem Team und Konzept bewerben und eine der Stadtfunktionen belegen: Feuerwehr, Seenotrettung, Sportplatz, Zoo, Bibliothek, Militär, Saloon, usw..
Liraz
Greentea Peng
JammJamm ft. Free Nationals: Ein Allstar/Professionals Party Program mit ständig wechselnden Mitgliedern und Gästen. Hier zunächst mit India Shawn.
Dann mit Laid Back
und mit dem Lokalpatrioten Christopher
Christopher
Japanese Breakfast mit toller raumgreifender Show in der Arena.
Jockstrap
Yaya Bey, Alternativ R&B, Neo-Soul aus New York mit Wurzeln in der Karibik und North Carolina.
Massen
Code Orange
Nikki Lane: überraschend eingänger Countryfolkansatz mit jeder Menge Charme.
Blur: Klar was für alte Säcke aber nicht nur, wie man beim Blick ins Publikum sieht. Die neue Platte wieder enttäuschend. Der Humor reicht nur noch für zwei Songs, aber man trotzdem dankbar. Beim Konzert steht man das durch, der Rest sind wohlvertraute Hits. So richtig sieht Keiner auf der Bühne so aus, als stünde der Spass im Vordergrund oder wäre einfach so abrufbar. Man ist aber Profi und spult das Programm eisern ab. Letztlich dann doch begeisternd und bei nächster Gelegenheit natürlich gern wieder…
Bad an der Menge. Alte Menschen zum Anfassen.
Rosalia punktet zeitgleich mit weltumspannenden musikalischen Einflüssen und einer multimedialen Inszenierung, Tanzchoreographie und Bühnengestaltung, die wohl derzeit kein weiterer internationaler Star zu bieten haben dürfte. Die anderen großen Revuen scheinen eher von den Fünfziger und Siebziger Jahren inspiriert zu sein als vom heutigen Zeitgeist. Ganz ganz großes Kino! Showtreppen, Trapezkunst waren gestern.
Christine & The Queens: Noch ein einzigartiger Ansatz: Nur eine einzige zierliche Person bespielt, betanzt und singt auf der Hauptbühne vor zig Tausend Menschen. Gendergrenzen ade. Artpop goes Mainstream.
01.07. Samstag: Talk über Klimagerechtigkeit mit internationalen Aktivistinnen: Selma de Montgomery, Hilds Flavia Nakabuye, Luisa Neubauer, Helena Gualinga von links, rechts neben dem Moderator
Der sterbende Schwan
Fulu Miziki steht für „Musik aus Müll“ und wie man sieht ist der Name Programm. Ansteckender psychedelic Krautrock der auf afrikanische Rhytmen trifft. Instrumente und Bühnenoutfits fantasievoll und funktional. Zum Spiel auf dem Rohrxylophon reicht ein Badelatsch und als Klangkörper der Klampfe dient ein Kanister, ohne musikalische Abstriche.
Fulu Miziki
Lucretia Dalt
Chill Out Area im Gloria, der kleinsten Bühne
Black Country, New Road
Weyes Blood belebt den Geist des Laurel Canyons und verzaubert die Hörerschaft mit schwermütig etherischen Hymnen. Die neue Göttin des Folkpop.
Caroline Polachek, der Star der Stunde im Dancepop.
Deaf Club auf Tuchfühlung
Selbe Stelle wenig später: weniger Rampensauperformance, stattdessen schüchtern und entrückt: Sorry
Clarissa Connelly’s Canons: Tanzperformance unter dem Platformdach
Charlotte Adigéry & Bolis Pupul mit einer der besten Dancepopplatten vom 2022.
Und Muttern findets witzig…
Lizzo
Lizzo, der Megastar der Stunde zum Rauswurf auf der großen Bühne
Zum Ausklang noch etwas Black Metal zum Chillen, Respektive ritueller Einkehr: Witch Club Satan, eine norwegische Mädchenband.
Und auf dem Weg nach Hause noch eine kleiner Tritt an den Kopf von Wargasm, Electro-Metal-Whatever aus London.
Lyra Velenza, Electro-Dance-Geballer als wirklich finales Goodbye.
Es war wieder ausverkauft 80.000 Komplettticket für alle Tage, fast 20.000 Tagestickets, ca. 30.000 Freiwillige Helfer. Gewinne gehen an wohltätige Organisationen. Quasi wie immer und doch werden wir uns an das eine oder andere Highlight noch Jahre später erinnern. Die Zeit verging wieder wie im Flug, Regenschauer, das graue, recht kühle Wetter konnten einen bleibenden Eindruck nicht verhindern. Wenn das Jahr bis zum nächsten Mal doch auch so schnell verginge…
mehr Bilder hier: www.flickr.com/photos/personanongrata/albums/72177720311358344
mehr Infos und Karten für 2024: www.roskilde-festival.dk
alle Fotos: K. Nauber