The Big Pink – Future This

Text: | Ressort: Musik | 17. Mai 2012

Vielleicht haben wir ja alle The Big Pink irgendwie falsch eingeschätzt. Oder besser gesagt, wir haben uns alle ein wenig verwirren lassen. Von der puren Lust am Krach und Noise, am Krachschlagen an sich, an Feedback und Lautstärke, die Robbie Furze und Milo Cordell geradezu zelebriert wurde. Am besten live zu beobachten wie dereinst auf dem Melt! Festival, bei dem die Band mit sichtlichem Genuss und Wohlgefallen die Grenzen der anwesenden Anlage und Besucher austesteten – mit eben jener erwähnten Lust am Feedback, an Lautstärke und am Gitarren-Noisepop mit Shoegazer-Wurzeln, der sich auf „A Brief History Of Love“ findet – rein oberflächlich betrachtet. Denn irgendwie muss man bei einer solchen Reduktion auf das Shoegazertum schon außer Acht lassen, dass The Big Pink einerseits schon immer Bock hatten auf Fussballstadion-kompatible Hymnen (oder was sollte „Dominos“ anderes sein?) und sich andererseits durch eine Rhythmik auszeichneten, die ebenso schon immer eine ausgesprochene Affinität zu Dancefloor-Attitudes, elektrifizierten Funk und HipHop erkennen ließ. Übrigens eine Sache, die ohnehin diese ganze Madchester- und/oder Shoegazing-Geschichte auszeichnete und von der aus meiner Sicht irgendwie viel zu wenig geredet wird – was aber auch schon wieder ein ganz anderes Thema ist. „Future This“ ist – in diesem Licht betrachtet – eigentlich nix anderes als die konsequente Fortführung des bekannten Prinzips mit anderen produktionstechnischen Mitteln. Überdies naheliegenden Mitteln, denn wer sich den erwähnten Pinzipien irgendwie verpflichtet fühlt, landet nunmal logischerweise bei Samples (muss ich jetzt zum besseren Background-Verständnis noch einmal die Nummer bringen mit „Robbie Furze war mal Gitarrist bei Alec Empire“? Naja, wegen mir). Und bei dezent gebrochenen Beats. Bei ausgeprägter Elektronik und einer offensichtlichen Freude an R‘n‘B (gerne im hochgradig poporientierten Kontext). Was dann letztlich der einzige echte Unterschied zum Vorgänger ist – das Songwriting an sich ist keinen Deut besser oder schlechter als auf „A Brief History Of Love“. Bis hin zu augenfälligsten Parallelen – hier wie da findet sich der dezidierte Überhit mit Hang zur Cheeseness und zum Klischee-Overkill („Dominos“ ist da in seiner Struktur ja gar nicht soooo anders als „Hit The Ground (Superman)“, finde ich). Oder der Pop-Hit, der sich ein bißchen ziert, ein Pop-Hit zu sein in der klassischen Form („Velvet“ vs. „13“). Oder die permanente große Geste, die sich Bahn bricht in raumgreifenden Melodien und – im positiven Sinne – großmäuligen Hooklines. Insofern ist der gerne geäußerte Vorwurf des „Stadionrocks“ ja ganz nett und süß, aber aus meiner Sicht unsinnig. Diese Komponente steckte schon immer drin in The Big Pink. Nur dass sich diese auf „Future This“ nicht mehr hinter Gitarrenfeedback und Noise-Affinität versteckt, sondern ziemlich offensiv und offensichtlich herausgearbeitet wird. Nun bin ich weder ein Gitarren-Traditionalist noch ein Verfechter der reinen Lehre (in welcher Hinsicht auch immer). Ich mag tolle Songs. Und „Give It Up“ ist ein toller Song mit seinem HipHop-/R‘n‘B-geschulten Rhythmen und Samples und mit seinem eindringlichen Pathos. Nur so als Beispiel.

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