Die PnG-Kinowoche

Text: | Ressort: Film | 15. Juni 2013

The Place Beyond the Pines

Schicksalswege

Derek Cianfrance hat sich nach den entbehrungsreichen und äußerst langwierigen Dreharbeiten zu „Blue Valentine“ nicht etwa eine wohlverdiente Auszeit genommen. Er legt stattdessen mit diesem zwei Generationen umspannenden Drama eindrucksvoll nach und kann sich wieder auf seinen Hauptdarsteller Ryan Gosling verlassen.

Er spielt den Motorrad-Stuntfahrer Luke. Der von Tattoos übersäte Schönling ist die Attraktion im Ensemble eines wandernden Jahrmarkts. Ständig auf Achse kümmert er sich meist wenig um das, was er zurücklässt. Als er nach mehr als einem Jahr erneut in das Nest Schenectady einbiegt, trifft er auf Romina (Eva Mendes) und muss erfahren, dass ihre kurze Liaison nicht ohne Folgen blieb. Plötzlich ist er Vater und beschließt sich um Mutter und Sohn zu kümmern. Dass Romina zwischenzeitlich mit einem anderen glücklich ist, interessiert ihn dabei ebenso wenig wie das Gesetz, wenn es um die Beschaffung einer finanziellen Absicherung geht.

Hier kommt der Kleinstadtcop Avery (Bradley Cooper) ins Spiel. Der aufrechte Gesetzeshüter lässt sich selbst von seinen korrupten Kollegen nicht auf die Seite des Unrechts ziehen. Selbst Vater eines Babys stellt der Idealist Avery den Biker Luke in einer Wohnsiedlung. Das Aufeinandertreffen der beiden wird Folgen für sie und ihre Söhne haben. Der Ort jenseits der Pinien ist dabei Zufluchts- und Schicksalsort gleichermaßen.

Cianfrance führt uns quer durch das Genre des Cop- und Gangsterfilms. Nicht nur wegen Gosling hat man im ersten Drittel ein gewisses „Drive“-Feeling, bevor die Geschichte im Mittelteil an „L.A. Confidential“ und schließlich an die Filme Scorseses erinnert. „The Place Beyond the Pines“ ist dabei aber kein Plagiat, sondern vielmehr eine wilde, zweieinhalbstündige Achterbahnfahrt der Gefühle.

USA 2012 / R: Derek Cianfrance /D: Ryan Gosling, Bradley Cooper, Eva Mendes, Mahershala Ali

Berberian Sound Studio

Kopfkino

Mitte der Siebziger wird der britische Tontechniker Gilderoy (Toby Jones, „Dame König As Spion“) nach Italien beordert, um einen der damals populären Horrofilme zu vertonen. Zunächst ist der steife Engländer fasziniert von der Welt aus schönen Frauen und charismatischen Kreativen. Doch der Regisseur Santini stellt sich schnell als Playboy heraus und sein Produzent Francesco lässt auch bald die Maske fallen. Für den Naturfilmer Gilderoy wird die Arbeit an dem handfesten Horror immer mehr zur nervlichen Belastung.

Ein Fest für den Filmfreund und eine liebevolle Hommage an den italienischen Horrorfilm – „Berberian Sound Studio“ ist wahrlich eine Ausnahmeerscheinung, ein blutroter Paradiesvogel im konventionellen Kino. Dabei bezieht er seinen Schrecken ausschließlich aus Alltagsgegenständen: ein zermatschter Kürbis, eine zerhakte Melone, dazu die Drehbuchpassagen des Giallo-Streifens – die Horrorbilder zum Ton entstehen im Kopf des Kinogängers. Peter Strickland würzt die Melange mit einer guten Priese tiefschwarzem Humor zu einem rundum schmackhaften Mahl für Genrefreunde.

GB/D 2012 / R: Peter Strickland / D: Toby Jones, Tonia Sotiropoulou, Susanna Cappellaro


Fuck for Forest

Bäume umarmen

Die Idee klingt verrückt, aber es ist ihnen verdammt ernst: die Organisation Fuck for Forest will mit Sex die Erde retten. 2004 gegründet in Norwegen, produzieren sie Pornofilme und vertreiben sie im Internet. Der Erlös kommt dem Regenwald zugute. Der polnische Regisseur Michał Marczak begleitete sie auf ihrem Kreuzzug mit der Kamera.

Spielwiese für ihre Idee ist Berlin. Ein Ort voll bunter Gestalten, die ihre Vorstellung von Freiheit ausleben, das zeigte auch schon die ähnlich gelagerte Chronik der „Bar 25“. Eine Stadt, wie geschaffen für die Paradiesvögel. Auf der Straße treffen sie auf begeisterte Freiwillige, interessierte Neugierige und natürlich auch auf reichlich Ablehnung. Nicht nur einmal geraten sie in ihrer Freizügigkeit mit den Ordnungshütern aneinander.

Sie sind Idealisten, aber erfolgreich. Marczak gibt ihnen eine Bühne, nähert sich ihren Träumen und Ideen von innen heraus. So entstand ein intimes Porträt, ein faszinierender Einblick in eine alternative Lebensweise, die aber auch immer wieder an die Grenzen der Gesellschaft stößt.

POL/D 2012 / R: Michal Marczak

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