Axel Hütte – Der Wald brennt nur für dich

Text: | Ressort: Kunst | 10. September 2008

Capulin Fire 2, 2007 (O.i.F.), Ditone-print, 155 x 205cm, Courtesy Galerie Wilma Tolksdorf, Frankfurt/Berlin

Axel Hütte ist einer jener Magische-Momente-Sucher, die uns – nach dem success von Hilla & Bernd Becher, deren Schüler auch Hütte einst war – immer aufs Neue mit Natur- und Landschaftsmetaphorik zugeschüttet haben – und im Begriff sind, dies auch weiterhin ernsthaft durchzuziehen.

Großformatphotokunst ist – allen Verfalls- oder Haltbarkeitsunkenrufen zum Trotz – noch genauso en vogue wie vor zehn Jahren. Und es ist ja auch begrüßenswert, wenn es Orte gibt, wo du einmal große Photoformate betrachten und studieren kannst. Es gibt zwar wirklich keinen Mangel an Photographie, doch die Möglichkeit gute Abzüge auf Papier an der Wand hängend zu sehen – Werbetafeln sind etwas ganz anderes, sind doch eher limitiert. Denn selbst in Museen werden Photo-Abzüge überwiegend lichtdicht im Keller gelagert. In der Galerie Tolksdorf ist das zum Beispiel schon des Öfteren möglich gewesen, Photographie wird dort ein hoher Stellenwert zugewiesen, noch dazu wird nicht auf Raum-Bombast und Riesenauswahl gesetzt. Bis zu zehn Aufnahmen hängen hier, verteilt auf einen großen und einen kleinen Raum, das war’s. Axel Hüttes neue Reihe „Fog & Fire“ passt da hervorragend rein in diesen schick auf Kontemplation ausgelegten Schauraum. Ohne Hast oder schlimmes Security-Brimborium kannst du dir hier die Bilder reinziehen. „Fog & Fire“, dieser Titel ist natürlich treffend gewählt – denn zudem gibt es nicht viel zu sehen. Auch sind die Bilder – angeblich wurden sie an exotischen Orten rund um die Welt (von der Schweiz bis Zentral- und Südamerika) aufgesammelt – ansich nichts Besonderes, in dem Sinne, dass es nun diese Orte nicht unbedingt gebraucht hätte, man nicht ausgerechnet diese Orte hätte aufsuchen müssen um ähnliche Aufnahmen zu realisieren. Nein, Waldbrände und Nebelbänke finden sich gegebenenfalls auch um die Ecke. Doch manchmal hilft es der Einbildung halt ein bisschen auf die Sprünge, stellt man sich die Sujets dort vor – in weiter, unbekannter Ferne, an möglicherweise noch phantastisch-magischen, ursprünglichen Orten – , statt an Orten, die man selbst schon hinlänglich kennengelernt, durchmessen hat. Nicht einfach Landschaften werden hier gesucht, vorgestellt, nein hier geht es um mehr, hier werden Seelen-Landschaften inszeniert, abgegrast – ja, schlußendlich sogar abgefackelt. Da fallen einem natürlich, gerade wegen der vielen Winke mit dem Melancholie-Zaunpfahl, auch Caspar David Friedrichs Natur-Allegorien ein. Gerade an jenen Stellen jedoch, wo CDF dem Menschen, der menschlichen Gestalt innerhalb des Ganzen, und er tat dies in fast allen Kompositionen, eine ausschlaggebende Bedeutung zumisst, dort fällt bei Hütte der menschliche Verbindungspol vollkommen weg. Nicht einmal zufällig tauchen Personen irgendwo auf – etwa klein und winzig im Hintergrund etc. Der Wald brennt also nur für mich, den einzigen Zeugen dieser ganz gewiss apokalyptischen Szenerie. Denn Hütte verzichtet auf jegliche Bildmanipulation, sprich Nachbearbeitung – verlässt sich stattdessen ganz auf die Momentaufnahme und den vor Ort gewählten Ausschnitt. Diese „echte“ Konfrontation mit Feuer, Rauch, bzw. Nebel, macht dann auch gewisse Schemata an Grundreaktionen abrufbar – die sich in Anbetracht der riesigen Formate noch verstärken. So entsteht bei mir tatsächlich ein Geruchs- und Geschmacks-Empfinden gegenüber dem Photo-Rauch, welches sich sogar noch verstärkt, und eine Stickigkeit, Atemnot stellt sich ein, je länger ich mich dem Feuerbild aussetzte. Im Falle der Nebellandschaften verliere ich etwas den Orientierungssinn, bzw. Gefühl für Entfernung und Zeit (Nebel läßt ja bekantlich alles nah, bzw. flach, erscheinen). Bei aller Schönheit der Kompositionen (teilweise denke ich an chinesische/japanische Holzschnitte, Tuschzeichnungen) erzeugen Hüttes Photos eine starke Haltlosigkeit und Unruhe, und nicht etwa, wie ich zunächst erwartete, erhabene Stille- und Ruhepole. Es bleibt nunmal in erster Linie unangenehm in einer nebeligen oder gar brennenden, verrauchten Landschaft herumzutapsen. Die Botschaft, ob beabsichtigt oder nicht sei dahingestellt, ist also klar: Die Natur ist nicht unbedingt deine Freundin, da sind Gewalt und Fallen, in die du tappen wirst. Umgekehrt, von Aussen und unbeteiligt gesehen, könnte man in den Darstellungen auch eine Zustandsbeschreibung oder Bestandsaufnahme der Natur sehen – dann vielleicht auch im Zusammenhang mit den menschlichen Sünden und Verbrechen an ihr. Die Wald-Feuer werden danach schnell zu Höllenfeuern und Szenarien von (Hieronymus) Boschschen Ausmassen. Die Anordnungen der Waldbrandaufnahmen zu einem Triptychon forciert diese Lesart noch, da sie unwillkürlich an mittelalterliche Altarbilder gemahnt. Letztendlich eine sehr stickige und läuternde Erfahrungslandschaft, die uns hier präsentiert wird – mit nicht unerheblicher Moral-Schwere. Von einer „Schönheit“ der Aufnahmen zu sprechen, gelingt mir nach einer Stunde Aufenthalt in der Galerie nicht mehr – noch dazu war ich allein. Allein mit meinen Gefühlen der Sorge um die Natur, wie auch Scham- und Schuldgefühlen ihr gegenüber. Aber auch Entfremdung und Weltschmerz-Impuls, alles überlagert sich.

Als Sammler wäre ich vielleicht geneigt, diese Szenen einer Kirchengemeinde zu überantworten – aber das wäre ja nun auch wieder gemein. Wohin also mit diesen „Mahn-Tafeln“? Ein Problem, das ich an dieser Stelle nicht lösen kann, genausowenig, wie wir Euch an dieser Stelle keinen befriedigenden, einigermaßen annähernden Eindruck der Ausstellung geben können. Ihr müsst es Euch versuchen vorzustellen – oder morgen früh gleich ins Gebirge fahren, bzw. in den Wald. Feuerzeug natürlich nicht vergessen, oder Waldbrand einfach abwarten, und fertig. Der ganze Haufen edler Gefühle, wie Geduld, Demut, Hingabe, Läuterung etc., den Hütte auf seinen Reisen offenbar im Gepäck hatte, strahlt regelrecht heraus aus den Papieroberflächen, durchdringt sogar noch die Glasscheiben der Rahmen. Ein Verrückter, denke ich, setzt sich wie (Werner) Herzog in jeden Dschungel, den er kriegen kann und wartet dort tagelang auf Nebel und Feuer, die er mit seiner 10 Kilo schweren Kamera , ganz abgesehen von der restlichen Ausrüstung, die er mit sich schleppt, dann mühsam auf Riesennegative einfängt. Eine Art Katharsis-Freak, so der Fitzcarraldo unter den Photographen – dieser Hütte also. Etwas zu belehrend, mahnend, auch manisch – alles in allem aber eine straight-sinnliche Performance.

 

Die Ausstellung Fog & Fire von Axel Hütte fand in der Galerie Wilma Tolksdorf, Zimmerstraße 88-91 in Berlin statt.

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