Sidsel Endresen & Stian Westerhus – Didymoi Dreams / Stian Westerhus – The Matriarch And The Wrong Kind Of Flowers

Text: | Ressort: Musik | 24. Oktober 2012

Sidsel Endresen & Stian Westerhus – Didymoi Dreams

Ist das noch Musik? Sind das Songs oder eher Stücke? Passen hier solche Begriffe oder nennen wir es schubladensprengende Klangkunst? Klangsuche? Klangforschung? Elektronische Klänge, offenbar die Gitarre von Herrm Westerhus, das eine oder andere Effektgerät, Loopmaschine oder was auch immer, mäandrieren und oder grätschen herein, wie platzende Seifenblasen. Kommen, Gehen, Aufwallen, Aufschrecken. Über allem irrlichtert die Stimme von Frau Endresen, wimmernd, greinend, einschmeichelnd oder schrill aufblitzend. Ist das norwegisch oder eine Art Lautsprache?
Man muss sich darauf einlassen, sich durchströmen lassen. Nichts für nebenbei. Aufgenommen wurde die Kooperation bei einem Konzert im rahmen des Nattjazz Festivals in Bergen.
Sidsel Endresen ist eine gefeierte Jazzsängerin, in den Achtzigern Sängerin und Koauthorin bei der Jon Ebertson Group (fünf Alben), Anfang der Neunziger zwei Soloplatten und die Kooperation mit Bugge Wesseltoft (drei Alben). Seit dem Jahrtausendwechsel wieder solo, mit zahllosen Kollaborationen (Helge Sten, Christian Wallumrød, Rolf Wallin, Jan Berg, Håkon Kronstad…) und mit Filmmusiken hyperaktiv.
Stian Westerhus ist ein der angesehendsden Gitarristen der Jazzwelt, ständig auf Tour, stets am Aufnehmen oder Jammen mit Hinz und Kunz, sodass eine komplette Auflistung nicht nur schwer zu rechergieren wäre, sondern auch den Rahmen sprengen würde. Neben seinen Soloaktivitäten, wie der jüngsten Veröffentlichung (s. unten) seien auf jeden Fall seine Band Puma und die Mitgliedschaft im Nils Petter Molvær Trio zu erwähnen.
Es scheint eine düstere verwunschene Welt zu sein in der sich Endresen und Westerhus sich bewegen. Mal vibriert die Umgebung seicht, wie leichter Wellenschlag, mal scheint sie zu bersten und in viele spitze Teile zu zerspringen. So muss die Oberfläche von Solaris klingen…

www.sidselendresen.com
www.stianwesterhus.com

Stian Westerhus – The Matriarch And The Wrong Kind Of Flowers

Naheliegendster Unterschied zum obenstehenden Album ist natürlich der fehlende Gesang. Was der Ausdrucksstärke der Musik jedoch keinen Abbruch tut. Man wird hineingesogen. Oben und unten sind nicht mehr definierbar. Der Raum löst sich auf in Nebelschwaden unterschiedlicher Opazität und Farbigkeit. Wobei die gedecketen Töne vorherrschen und in der Tiefe in der Dunkelheit verschwinden. Alles schein in Bewegung, in der Schwebe, im Fluß. Mal gleitet man gemächlich, mal wird man plötzlich in eine andere Richtung geschossen. Eine Achterbahnfahrt im Ungewissen, im Mystischen, im Unterbewußtsein, in einer abstakten kalten Welt.
Hier klingt zwar manches noch nach Gitarre, doch die meisten Töne würde man einem anderen fremden Gerät zuordnen. Man vermeint Flöten und Orgeltöne zu vernehmen, Samples von gequälten Kreaturen. Ein Großteil der Aufnahmen entstand im Emanuel Vigeland Mausoleum in Oslo, das für seinen extremen Nachhall von 20 Sekunden bekannt ist. Vielleicht liess sich Herr Westerhus auch von den 800m² Fresko inspirieren, das Wände und Decke des schlichten tonnenförmigen Raumes bedeckt und im Wesentlichen den Lauf des Lebens zum Thema hat. Losgelöste düstere Gestalten in Grau-, Rot- und Brauntönen vollführen den Tanz des Lebens.

beide (Rune Grammofon/Cargo)

www.stianwesterhus.com

www.emanuelvigeland.museum.no

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